Ja zu demokratischer Teilhabe!

Vor einigen Wochen veröffentlichte die AKJ auf ihrer Website einen Artikel mit der Überschrift Nein zu digitalen Wahlen! Anstoß dafür waren die Äußerungen des ehemaligen Hertha-Funktionärs Klaus Brüggemann, die in dem Beitrag umfänglich dargestellt werden.

Schon seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema digitale oder genauer gesagt hybride Mitgliederversammlungen und Wahlen bei Hertha BSC. Für mich war der vielfach geäußerte Wunsch von Exil-Herthaner:innen, also Mitgliedern, die nicht in Berlin und Umgebung wohnen, an den Veranstaltungen teilzunehmen, der Anlass.

Da ich die Argumentation des AKJ-Artikels nicht in allen Punkten nachvollziehen kann, und manche Aussagen für unvollständig oder falsch halte, habe ich einen längeren Kommentar verfasst, den ich zur besseren Lesbarkeit und Archivierung auch hier in meinem Blog veröffentliche.

Mein Wunsch ist, dass wir im Verein gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, die demokratische Teilhabe zu verbessern, und die Bedürfnisse der steigenden Anzahl von Mitgliedern zu berücksichtigen. Dabei sollten auch Regelungen und technische Möglichkeiten eingehend geprüft werden, die bei der Erstellung der bisherigen Satzung noch keine Rolle gespielt haben, oder schlicht nicht zur Verfügung standen.

Und damit hier zu meinem Kommentar.

Replik auf den Artikel „Nein zu digitalen Wahlen!“

Den Ausführungen über Klaus Brüggemann stimme ich vollumfänglich zu. Doch unabhängig davon besteht ein vielfach geäußerter Wunsch von Mitgliedern, die nicht in Präsenz an der Mitgliederversammlung teilnehmen können, dennoch digital dabei zu sein und ihre Mitgliedsrechte – einschließlich der Wahl – wahrzunehmen. Eine digitale oder, genauer gesagt, hybride Wahl könnte, wie im Beitrag erwähnt, eine ‚sehr gute Idee‘ sein. Leider folgen in der Argumentation gegen digitale Abstimmungen dann jedoch einige Punkte, die ungenau oder falsch dargestellt werden. Eine Auseinandersetzung mit Sachverhalten, wie digitale Wahlen den demokratischen Prozess möglicherweise verbessern können, findet überhaupt nicht statt. Daher möchte ich einige Punkte aufgreifen, richtigstellen und ergänzen.

Falsche Vergleiche mit staatlichen Wahlen

Der Artikel verweist auf den Chaos Computer Club (CCC) und dessen Kritik an in Deutschland eingesetzter Wahlsoftware. Dies ist jedoch ein Strohmannargument. Der CCC fordert keine Abschaffung von Software bei Wahlen, sondern vielmehr deren Transparenz. Zudem geht es in der Kritik des CCC nicht um digitale Wahlen, sondern um die elektronische Auszählung bei Präsenzwahlen. Wer mit staatlichen Wahlen argumentieren möchte, darf funktionierende Beispiele wie Estland nicht ignorieren. Dort gibt es seit Jahren ein sicheres und etabliertes Online-Wahlsystem. Ein umfassender Bericht dazu findet sich etwa unter Golem.de.

Ebenso ist eine Wahl in einem Verein weniger mit staatlichen Wahlen, sondern vielmehr mit denen in privatwirtschaftlichen Unternehmen vergleichbar. Hier sind digitale Wahlen spätestens seit der Pandemie üblich. Verschiedene Firmen bieten mittlerweile Softwarelösungen an, die den Anforderungen demokratischer Wahlen gerecht werden und beispielsweise auch von Aktiengesellschaften genutzt werden, bei denen oft weitaus mehr Menschen abstimmen als auf einer Hertha-Mitgliederversammlung.

Rechtliche Situation: Digitale Wahlen sind nicht verboten

Ein weiteres genanntes Argument gegen digitale Wahlen ist deren angebliche rechtliche Unzulässigkeit in Deutschland. Das ist so nicht korrekt. Online-Wahlen sind bei politischen Wahlen in Deutschland nicht grundsätzlich verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil (BVerfG, 2 BvC 3/07) lediglich hohe rechtliche Hürden formuliert, die beachtet werden müssen. Dass dies jedoch möglich ist, zeigt das Beispiel Estland, wo digitale Wahlen rechtssicher durchgeführt werden.

Fehlgeleitete Sicherheitsbedenken

Der Artikel verweist auf Sicherheitsrisiken digitaler Wahlen. Natürlich sind Sicherheitsaspekte wichtig, doch moderne Technologien bieten mittlerweile ein hohes Maß an Schutz. Anders als im AKJ-Artikel dargestellt, könnten digitale Wahlen sogar die Erkennung und Verhinderung von Manipulationen erleichtern. Verifizierbare Wahlprotokolle ermöglichen es den Wählern beispielsweise, ihre abgegebene Stimme zu überprüfen, ohne das Wahlgeheimnis zu gefährden. Auch Server-Abstürze als Gegenargument anzuführen, ist irreführend – die genannten Softwarelösungen werden von Unternehmen mit zehntausenden bis hunderttausenden Wählern genutzt und sind entsprechend robust.

Mängel bei Präsenzwahlen

Die romantische Verklärung des bisherigen Wahlverfahrens ist der Sache nicht dienlich. Wer in den vergangenen Jahren an Hertha-Mitgliederversammlungen teilgenommen hat, weiß, dass dort Unregelmäßigkeiten an der Tagesordnung sind. Wahlunterlagen werden nicht konsequent eingesammelt, Wahlhelfer akzeptieren, dass eine Person mehrere Wahlzettel einwirft, und manche Mitglieder reichen ihre Stimmzettel weiter, bevor sie die Veranstaltung verlassen. Manipulationen sind also keineswegs auf digitale Wahlen beschränkt.

Demokratische Legitimation und Teilhabe

Präsenzveranstaltungen bieten eine wichtige Plattform für den direkten Austausch, können aber auch die Dominanz bestimmter Gruppen fördern. Hertha BSC hat leidvolle Erfahrungen damit gemacht, dass Wortbeiträge mit abweichender Meinung lautstark niedergebuht und unterdrückt wurden. Eine faire Diskussion, in der Argumente ausgetauscht werden, fand nicht immer statt. Bei der Abstimmung über die Stadionstandort-Frage wurden Mitglieder, die nicht im Sinne bestimmter Gruppen abstimmen wollten, sogar bedroht.

Demokratie bedeutet, dass jedes Mitglied wählen darf. Die Behauptung, dass nur Mitglieder mit „direkter Verbindung zum Vereinsgeschehen“ mitbestimmen sollten, ist nicht demokratisch. 

Wichtig ist dabei, dass eine digitale Wahl niemanden zwingt, sich ausschließlich online zu beteiligen. Auch hybride Modelle – also eine Kombination aus Präsenz- und Online-Wahl – sind denkbar, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitglieder gerecht zu werden. 

Ebenso wenig bedeutet eine digitale Wahl, dass Mitglieder die Versammlung nicht verfolgen müssten. Wahlgänge werden im Rahmen der Tagesordnung eröffnet und geschlossen – wer das Geschehen nicht aktiv verfolgt, wird also höchstwahrscheinlich den Wahlgang verpassen. 

Andererseits kann auch schon heute jedes anwesende Mitglied abstimmen, ohne aktiv der Debatte zu folgen. Die Entscheidung, ob man sich intensiv mit den Argumenten auseinandersetzt oder nicht, liegt immer beim Einzelnen – unabhängig vom Wahlverfahren.

Fazit: Mehr Demokratie wagen

Digitale Wahlen sind keine perfekte Lösung – Sicherheitsbedenken und mögliche Manipulationsrisiken sind ernst zu nehmen und dürfen nicht leichtfertig beiseitegeschoben werden. Doch über allem steht die Frage, wie die demokratische Teilhabe verbessert werden kann. Das derzeitige Präsenzwahlverfahren ist keineswegs fehlerfrei und schließt viele Mitglieder faktisch von der Mitbestimmung aus.

Der entscheidende Punkt ist also nicht, ob digitale Wahlen vollkommen risikofrei sind – sondern ob es Wege gibt, Sicherheitsbedenken auszuräumen und Manipulationsmöglichkeiten auszuschließen. Wenn dies gelingt, können digitale Wahlen eine sinnvolle Option sein, um mehr Mitgliedern die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen und damit die demokratische Legitimation der Vereinsentscheidungen zu stärken. Anstatt den Status quo zu verklären, sollte die Diskussion daher konstruktiv geführt werden: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine digitale Wahl eine faire, transparente und sichere Alternative darstellt? Welche anderen Möglichkeiten könnte es geben, mehr Mitglieder zu beteiligen? Wer wirklich für Demokratie eintritt, sollte sich diesen Fragen nicht verschließen.

Wenn die Mannschaft nicht brennt, dann brennt der Baum

Es wird in dieser Saison mit Sicherheit Mannschaften geben, gegen die Hertha BSC auf Offensive verzichten und hinten dicht machen muss. Der 1. FC Nürnberg zählt aber definitiv nicht dazu.

Was hatte der Herthatrainer dann aber für einen Grund, eine Mannschaft auflaufen zu lassen, in der kreative Spieler maximal auf der Außenbahn zu finden waren, in der kein offensives Mittelfeld vorhanden war und die Anweisung an jeden einzelnen Spieler wohl allein aus dem Wort „Verteidigen!“ bestand?

Und die für mich entscheidendere Frage: Warum leistet es sich Markus Babbel, mit Raffael und Fabian Lustenberger zwei Spieler, denen der Siegeswille aus jeder Pore kocht, nicht nur auf die Bank zu setzen, sondern -laut Presseberichten- auch noch schlecht zu reden? Das Einzige, was man diesen Spielern vielleicht vorwerfen kann, ist, dass sie auf dem Platz deutlich ruhiger als manch anderer Spieler sind. Da ich auf dem Fußballplatz aber ähnlich bin (von der Lautstärke und der Einstellung, fußballerisch fehlt’s leider bei mir), weiß ich, dass das eine mit dem anderen wenig zu tun hat. Und ich glaube auch, dass man ohne viele Worte, seine Kameraden mitreißen kann. Auch wenn jemand in der Mannschaft, der auch mal das Maul aufreißt, nie verkehrt ist.

Wenn man nach zwei Saisonspielen also schon Schlüsse ziehen kann, dann ist dies meiner: das vielbeschworene „Bayern-Gen“ hat nichts mit Leidenschaft zu tun. Die Spieler, denen dieses nachgesagt wird, waren nicht in der Lage, positive Einflüsse auf die Mannschaft auszuüben. Auch Peter Niemeyer ist für mich mit seinem Einsatzwillen, aber den eingeschränkten Möglichkeiten das Spiel zu eröffnen, eher ein Innenverteidiger als ein Sechser. Und für einen Abwehrspieler wiederum wäre seine Spieleröffnung sehr gut.

Ein anderer Abwehrmann hat mir in einer Szene gestern gut gefallen: Maik Franz löste sich aus dem Abwehrverband, marschierte mit Tempo und Ball nach vorn, wurde aber nachdem er abgespielt hatte, auf der rechten Seite von den Mitspielern leider übersehen. Schade, dass dies eine einmalige Aktion blieb, gegen die schwachen Nürnberger, wäre mit viel mehr Offensivdrang auf jeden Fall mehr drin gewesen.

Zurück zu den Sechsern: wenn ich Niemeyer also in die Abwehr an die Seite von Maik Franz verbanne, wird Platz für Fabian Lustenberger. Sollten dessen Rückstand nach der U21-EM tatsächlich vorhanden sein, wäre er zumindest für die Zeit, die er durchhält, die erste Wahl. Und der zweite Sechser? Wird abgeschafft. Mit Raffael haben wir schließlich einen Spieler, der in der letzten Saison bewiesen hat, dass er sowohl zurückgezogen als auch hinter den Spitzen enormes Potential hat und es jedem Gegner schwer machen kann.

Raffael und Lusti vereinigen beide die Art von Einsatzwillen und Spielkultur in sich, die Hertha in dieser Zeit dringend braucht. Überrascht war ich dann heute Morgen, dass diese beiden auch im Morgenpost-Blog herausgehoben wurden. Und es war mir eine Freude bei der Umfrage „Was soll Hertha nach dem 0:1 gegen Nürnberg machen?“ für die Option Raffael und Lustenberger gehören in die Startelf abzustimmen (die derzeit übrigens mit 60% der Stimmen ganz vorn liegt).

Bleibt zu hoffen, dass Markus Babbel nicht wie Lucien Favre aus persönlichen Motiven auf den maximalen Erfolg der Mannschaft verzichtet. Denn je früher der Klassenerhalt gesichert wird, desto besser!

Update: leider bin ich eben erst auf Daniels Artikel aufmerksam geworden. Seine Zusammenfassung der falschen Einstellung mancher Spieler lässt meine vage Kritik am Bayern-Gen für mich klarer werden. Vielleicht können sich insbesondere die Neuverpflichtungen tatsächlich nicht mit dem Abstiegskampf anfreunden, denn das Gen ist ja auf maximalen Erfolg ausgerichtet…

Dem Winter entronnen

Das Wintertrainingslager ist vorbei – nachdem das Team von Hertha BSC bereits vorgestern zurück geflogen ist, sitze ich heute am Flughafen von Lissabon und werde in ein paar Stunden wieder in Berlin sein.

Nach dem Aufenthalt letztes Jahr auf Mallorca war dies das zweite Trainingslager, das ich besucht habe. Im Gegensatz zu Spanien war hier nicht nur das Wetter besser, auch die Spieler haben es begrüßt, dass sie aus dem Hotel auf den Trainingsplatz gefallen sind. Die Stimmung bei Hertha war gut, bei den Journalisten mal so, mal so, aber immer unterhaltsam und unter den Fans habe ich alte Bekannte wiedergetroffen und interessante neue Leute kennengelernt. Unser Abschiedsabend hat mir immerhin gezeigt, dass ich noch Walzer tanzen kann, wenn ich muss…

Zwei Testspiele standen auf dem Programm: das erste gegen den FC Zwolle war ein relativ müder Kick ohne Tempo, bei dem ich während meines Audiostreams immer wieder auf Hintergrundgeschichten ausweichen musste, weil das Spielgeschehen kaum berichtenswert war. Das Tor von Lasogga habe ich, wie viele andere, nur aus dem Augenwinkel gesehen, da die Situation geklärt schien. Der Ball sprang auf, der niederländische Torwart musste ihn nur noch aufnehmen, aber irgendwie war er dann doch hinter der Linie und es stand 1:0. Vor dem zweiten Tor dachte ich auch schon, dass Ronny sich den Ball zu weit vorgelegt hatte, aber sein Gegenspieler war etwas zu langsam in seiner Reaktion, so dass der Brasilianer doch an ihm vorbeikam und den Ball sehenswert schlenzen konnte. Bis auf die Tatsache der fehlenden Kopien von Zwolles Aufstellung war das Spiel toll organisiert und auch das Stadion von Boa Vista ist klein aber fein.

Beim zweiten Spiel gegen Standard Lüttich war das anders: der Tag begann regnerisch und man hätte sich für das Spiel wieder eine überdachte Tribüne gewünscht. Leider handelte es sich um einen Trainingsplatz auf einem Golfgelände. Zum Glück halfen mir ein paar Bekannte, Stühle über einen Zaun zu schaffen, so dass ich auf einem kleinen Hang zwei Meter höher als das Spielfeld sitzen konnte, und so wenigstens etwas mehr Übersicht gewann.
Die so genannte erste Elf machte in ihrem 55minütigen Einsatz zwar ordentlich Tempo und es war auch einiges an Aggresivität im Spiel (von beiden Seiten), doch ein Tor gelang nicht. Erst nachdem nahezu komplett durchgewechselt wurde, fielen die Tore. Beide Herthatreffer wieder sehenswert, beide mit Beteiligung von Daniel Beichler, der sich für Einsätze in der Rückrunde empfehlen konnte. Der Gegentreffer war dann nur noch ein Schönheitsfehler.

In den vergangenen 13 Tagen haben meine Freundin und ich so viel erlebt, dass wir das Gefühl haben, viel länger weg gewesen zu sein. Es bleiben viele schöne Erinnerungen, z.B. an entspannte Gespräche mit Presseleuten, anderen Mitgereisten und natürlich einigen Spielern beim Fanabend am Freitag. Ich freue mich auf die Rückrunde und habe ein gutes Gefühl, dass die Mannschaft alles geben wird, um den Aufstieg zu packen. Und wenn das geschafft ist, kann das nächste Trainingslager kommen!

Heckiheckiheckiheckipatang

„Wir sind die Fans, die immer sagen: NIE!“ – zumindest wenn es nach dem Stadionsprecher Fabian von Wachsmann ginge. Denn am letzten Freitag kam der Moment, als Neuzugang Ronny eingewechselt wurde. Und Dex fiel nichts besseres ein als: „Die Nummer 12 ROOOOOOO“ und darauf zu warten, dass das Stadion NY brüllt.

War „Ra, Ra – Raffael“ schon grenzwertig, ist das jetzt wirklich nicht auszuhalten. Also bitte, lieber Fabian, lass Dir was anständiges einfallen oder ich rufe nur noch „Heckiheckiheckiheckipatang“.

P.S. wer nicht weiß, woher das stammt, findet hier die Erklärung!

Rechtsruck

Sieben Spieltage war die Saison alt mit sieben Bundesligapartien, von denen Hertha genau eine gewann und sich damit am Tabellenende wiederfand, als die Verantwortlichen beim BSC die Reißleine zogen und Trainer Lucien Favre freistellten – den Coach, der bei seinem Amtsantritt zwei Jahre zuvor von Vereinsführung, Medien und Fans einhellig als Heilsbringer empfangen wurde und mit einem Vertrauensvorschuss ausgestattet wurde, wie wohl kein Übungsleiter vor ihm.

Und während viele weiter Stein und Bein auf Favre schwören, war der Vertrauensvorschuss bei der Vereinsführung offensichtlich aufgebraucht. Doch wie konnte das so schnell nach der erfolgreichsten Saison seit langem passieren?

Rückblende: Als Favre von Dieter Hoeneß als neuer Hertha-Trainer vorgestellt wurde, hatten selbst Experten den sympathisch auftretenden Schweizer nicht auf dem Schirm. So konnte er völlig frei von irgendwelchen Vorurteilen, aber doch mit reichlich Vorschußlorbeeren aus dem Zürcher Vereinsumfeld seine Pläne verkünden. Er galt als Coach, der mit wenig finanziellen Mitteln maximalen sportlichen Erfolg holen kann – mithin genau das, was Hertha aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen suchte. Und so warb Favre mit einem Dreijahresplan, an dessen Ende für 2010 das Mitspielen um die Deutsche Meisterschaft stand. Der Weg dahin sollte gepflastert sein mit „One Touch”-Football, dargeboten von „polyvalenten” Spielern, die als Mannschaft ohne Stars funktionieren – „das ist klar”.

Doch die Realität sah schnell anders aus. Nachdem Favre in den ersten Wochen munter die verschiedensten Aufstellungen durchprobiert hatte, begann er seine Spieler schlecht zu reden und kundzutun, dass er seine Pläne mit dem vorhandenen Spielermaterial nicht umsetzen könne. Die Mannschaft reagierte verunsichert und der Zuschauer fragte sich, warum sich der Herr nicht im Voraus mit dem Team beschäftigt hatte, das er erfolgreich machen wollte. Offenbar war es Dieter Hoeneß, der in dieser Situation ein Machtwort sprach und Favre aufzeigte, dass das Niedermachen der Spieler in der Öffentlichkeit sicher nicht der richtige Weg sein kann.

Im Anschluss war in der Öffentlichkeit keine Kritik mehr zu hören und nachdem Favre in der nächsten Transferperiode einige Wunschspieler erhalten hatte, besserte sich auch das Spiel. Phasenweise erkannte der Zuschauer, welchen Fußball Favre spielen lassen wollte. Doch häufig dauerte die gute Vorstellung der Hertha kürzer als eine Halbzeit, ansonsten halfen beim Punkten immer wieder Einzelaktionen der von Favre eigentlich geschmähten Stars – und eine Defensive um Josip Simunic, dem Favre ursprünglich schon die Bundesliga-Tauglichkeit abgesprochen hatte, die hinten den Kasten so sauber hielt, dass oft ein einziges Törchen vorn den Sieg sicherte.

Doch dies waren nur die nach außen hin sichtbaren Anzeichen. Jetzt, im Zuge der Trainerentlassung, kommen nach und nach die Interna ans Licht der Öffentlichkeit, die zeigen wie sehr sich Favre mit einzelnen Spielern, vielleicht sogar der kompletten Mannschaft überworfen hatte. Möglicherweise war Favre nur in der Öffentlichkeit der zurückhaltende Strahlemann, der das „Kollektiv” in den Focus rücken wollte, doch intern hinderten ihn persönliche Eitelkeiten daran, die richtige Mischung in der und Ansprache an die  Mannschaft zu finden. Trotz des Höhenflugs der vergangenen Saison fragten sich immer mehr Spieler, was da eigentlich passiert, und die Bereitschaft dem Trainer zu folgen schwand augenscheinlich schon im Laufe der Rückrunde. Allein der anhaltende Erfolg übertünchte die Risse, die hinter aller Meisterschaftseuphorie immer tiefer wurden.

Lucien Favre ist für mich der Sozialismus unter den Fußballtrainern – in der Theorie eine hervorragende Idee, in der Praxis aber mit scheinbar unüberwindbaren Problemen konfrontiert. Was in einem kleinen abgeschlossenen System noch funktionieren kann, bekommt in Konkurrenz zu anderen Philosophien stehend seine Grenzen aufgezeigt.

Favres Kampfansage lautete, dass er nicht ein weiterer Trainer werden wolle, der bei Hertha scheitert. Nun steht er doch in dieser Reihe und wird am 6. Oktober eine Pressekonferenz zu seiner sportlichen Zukunft halten. Ihm ist zu wünschen, dass er wieder in einem kleinen abgeschlossenen Biotop arbeiten und Erfolge feiern kann. Oder dass er einen Verein mit kaum begrenzten Ressourcen findet, in dem er seine Vorstellungen noch einmal auf eine echte Bewährungsprobe stellen kann. Dann wird sich zeigen, ob er zwangsläufig und vielleicht zuallererst an sich selbst scheitern musste, oder ob tatsächlich Hertha BSC wieder einmal der entscheidende Stolperstein für einen Trainer war.

Bonne chance et merci beaucoup, Monsieur Favre!

Stein oder nicht Stein?

Stein oder nicht Stein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, den Hohn und Spott
Des wütenden Anhangs erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Angriffen,
Durch Verteidigung sie enden? Spielen – wechseln –
Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Wechsel
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Außenverteidigers Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Spielen – wechseln –
Wechseln! Vielleicht auch trainieren! Ja, da liegts:
Was von der Bank für Könner kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt ihn stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu solchen Spielern kommen.
Denn wer ertrüg der Kurve Spott und Geißel,
Des Stürmers Druck, des Gegners Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einem Wechsel bloß? Wer würde rennen
Und stöhnt‘ und schwitzte unter Ligamüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach der Bank,
Das unentdeckte Land, von der Tribüne
Kein Spieler wiederkehrt, den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu Unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Hertha! – Dame, schließ
In dein Gebet all seine Sünden ein!

frei nach William Shakespeare

Ich liebe es!

Ja, es geht um Hamburger – aber weniger um Fastfood denn um die Spieler des FC St. Pauli, die am morgigen Sonnabend (25.07.09) ein Freundschaftsspiel gegen Hertha BSC bestreiten. Für die Berliner ist es das letzte ernsthafte Testspiel vor dem Saisonauftakt im Pokal gegen Preußen Münster; das Spiel gegen Lübars am Dienstag wird sicher nur noch ein Warmschießen.

Auf jeden Fall ist die Rechtesituation bei Testspielen deutlich einfacher als in den Wettbewerben, so dass ich von St. Pauli die Erlaubnis habe, einen Audiokommentar als Livestream zu übertragen. Daran hab ich eine Menge Spaß, auch wenn es andere Blogger gibt, die wesentlich besser kommentieren können…

Wer zuhören möchte, findet alles weitere auf http://www.hertha-inside.de/live!

Kuriositäten in XXL

Dass sport-auktion.de seine Newsletter mit dem Absender „HERTHA BSC Fans“ verschickt, ist vielleicht nur in geringem Maße verwunderlich. Immerhin wäre es ja möglich, dass dort ein paar Fans arbeiten und den Newsletter verfassen, wenngleich es doch recht ungewöhnlich ist, einen solchen Absender zu verwenden.

Dass im heutigen Newsletter ein „Matchworn Langarm-Trikot Away 1996/97 von Marc Arnold“ angeboten wird – überhaupt nicht kurios. Aber dann!

Newsletter von sport-auktion.de
Newsletter von sport-auktion.de

Wir erinnern uns: Marc Arnold spielte von 1995 bis 1998 bei Hertha BSC, machte 65 Spiele und 5 Tore. Auf dem Platz fiel er mir damals vor allem durch eins auf: seine Größe! Mit den bei Wikipedia vermerkten 169 Zentimetern Länge war er häufig der Kleinste auf dem Platz.

Dass der kleine Kerl beim Spiel ein Trikot in XXL getragen hat, dass ist dann wahrlich kurios! Und eine reife Leistung, dass er nicht drüber gestolpert ist…

Oder ist das gar nicht XXL?

Opti-Mist der Woche (II)

Unsachlich, unlogisch und trotzdem ein Grund, warum Hertha BSC das nächste Spiel gewinnt:

Traurig aber wahr: kein Spiel, für das Hertha-Inside eine Foto-Akkreditierung verweigert wurde, konnte in dieser Saison gewonnen werden (Bayern, Bielefeld, Hannover).

Gegen Hoffenheim muss der Bann gebrochen werden, denn auch in Hamburg werden wir vermutlich nicht fotografieren dürfen. Und wenn sich das in den Presseabteilungen rumspricht – nicht auszudenken!

Die Bürde des Besitzes

Für viele Philosophen und Religionsstifter ist es der erste Schritt auf dem Weg zum Glück: trenne dich von deinem Besitz! Hertha-Coach Lucien Favre machte aus dieser Philosophie eine Erfolgstaktik für Hertha BSC. Die Mannschaft lässt den Gegner das Spiel machen, steht in der Abwehr sicher und starke Offensivkräfte machen aus wenigen Chancen ausreichend Tore.
Doch das heutige Heimspiel gegen Borussia Dortmund zeigt erneut: wenn Hertha mehr vom Spiel hat, stimmen die Ergebnisse nicht mehr.

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